So here’s a long shot.
Russel Shorto schreibt in der New York Times, dass Europäer vielleicht einen Grund haben, Einwanderer abzulehnen. Schließlich haben europäische Staaten in der Regel ein gutes Sozialsystem, das auf der Annahme funktioniert, dass alle etwas für alle hergeben. Wenn nun Einwanderer hinzukommen, befürchten die Ansässigen, dass die Neuen das Sozialsystem ausnutzen, weil sie sich nicht zur Gemeinschaft der “Einer für alle, alle für einen” zugehörig fühlen:
A broad social-welfare system works if everyone assumes that everyone else is playing by the same rules. Newcomers, with different ways of life and expectations, threaten it. This is one reason the recent waves of non-Western immigration have caused so much disturbance. (source)
Und deswegen würden in den USA Einwanderer nicht derart abgelehnt wie in Europa, weil die USA kein sehr entwickeltes Sozialsystem haben.
So weit, so fragwürdig, aber immerhin stimmt, dass europäische Bevölkerungen häufig dem Gedanken nachhängen, dass ihre Nation mehr verbindet als nur Geographie, dass die Nation irgendwie halt auch Gemeinschaft ist. Und diese Gemeinschaften haben Institutionen ausgebildet, die von den Menschen zumeist monetäre Opfer verlangen, aber im Gegenzug erwartet “die Gemeinschaft”, dass man sich anständig verhält. Wieder Shorto:
One downside of a collectivist society, of which the Dutch themselves complain, is that people tend to become slaves to consensus and conformity. (source)
Das ist ja im Grunde nichts neues, dass Kontinentaleuropäischer lieber den Staat machen lassen als selbst aktiv zu werden, was auch in der Diskussion um die Sperrung von Internetseiten, die Kinderpornos anbieten, sehen kann. Mal abgesehen davon, dass Kinderpornos abscheulich sind, zeigt die Debatte, dass offenbar in Staaten mit ausgeprägtem Sozialsystemen Politiker eher auf die Idee kommen, dass es hilfreich ist, halbgare Sperrungen vorzunehmen — nach dem Motto, dass der Staat die Bürger zum richtigen Verhalten anleiten und notfalls zwingen soll.
Mir geht es hier nicht darum, ob diese Regulierung gut oder schlecht ist, sondern darum, ob die Variable “Sozialsystem” sich irgendwie operationalisieren lassen könnte und mit bestimmten Politikmustern korreliert. Das klingt zwar reichlich abseitig, aber auch interessant. Zumindest dürfte da eine nette Übung in empirischer Sozialforschung herauskommen.
Now flame me.